26.04.2018

Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung

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26.04.2018

Kann die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" beim Kohleausstieg das halten, was sie ihrem Namen nach verspricht?

BraunkohletagebauDer neuen Bundesregierung scheint es ernst zu sein mit dem Kohleausstieg: „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ – diesen Titel geben CDU, CSU und SPD in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag einer Kommission, die „einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen“ erarbeiten soll. Doch welche Schlüsse lassen sich aus dieser eher allgemein gehaltenen Passage für den zukünftigen Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung in Deutschland ziehen?

Erste Eindrücke dazu liefern die Auseinandersetzungen um die Einsetzung dieser „Kohlekommission“ und eine jüngst vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beantwortete Kleine Anfrage (BT-Drucks. 19/1676), die Teile der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Einsetzung und Arbeitsweise der Kohlekommission“ an die Bundesregierung gerichtet hatten.

Denn was von Titel und Aufgabe her betrachtet wie die Etablierung gänzlich neuer Strukturen klingt, ist bei näherer Betrachtung die Aktualisierung einer Plattform, mit deren Planung bereits während der letzten Legislaturperiode begonnen wurde. So soll die „Kohlekommission“ an die Stelle der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ treten, die nach dem Klimaschutzplan 2050 von November 2016 vorgesehen ist, bislang aber noch nicht eingesetzt wurde. Die dafür seit Anfang 2017 begonnenen „Vorbereitungen auf Arbeitsebene“, die von der im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten Stabsstelle Strukturwandel betreut und koordiniert wurden, sollen daher auch für die neue „Kohlekommission“ genutzt werden. Insbesondere sollen dabei vier bereits beauftragte und dem Vernehmen nach fertiggestellte Gutachten zum kohlebedingten Strukturwandel veröffentlicht und berücksichtigt werden.

Erstaunlich ist der enge Zeitplan, den der Koalitionsvertrag für die Errichtung und erste Ergebnisse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ vorsieht: So ist geplant, bis Ende 2018 einen Aktionsplan vorzulegen, der auch das besagte Abschlussdatum der Kohleverstromung beinhalten soll. Auch wenn von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums betont wird, dass „keine Gründe für eine mögliche Verzögerung dieses Vorhabens bekannt“ sind und die personelle Zusammensetzung der Kommission nach den Worten der Bundeskanzlerin noch vor der Sommerpause feststehen solle, lassen die gegenwärtigen Diskussionen zur „Kohlekommission“ durchaus Zweifel an einer Einhaltung dieser Termine aufkommen.

Bereits die Organisation zwischen den beteiligten Ministerien für Wirtschaft, Umwelt, Arbeit und Inneres verlief nicht reibungslos als es darum ging, welches Ressort federführend tätig wird. Nun ist innerhalb der Bundesregierung entschieden worden, dass die Geschäftsstelle der Kommission im Bundeswirtschaftsministerium eingerichtet wird, von der aus die anderen Ressorts dann eingebunden werden.

Auch von außerhalb sieht sich die Bundesregierung bei der Einrichtung dieser Kommission mit kontroversen Anliegen konfrontiert: Ein Zusammenschluss mehrerer Umweltverbände forderte für die Dauer der Kommissionstätigkeit ein sog. „Kohle-Moratorium“. Danach sollten währenddessen keine Genehmigungsverfahren für neue Kohle-Kraftwerke oder -Tagebaue bzw. deren Erweiterungen stattfinden. Zudem wurde betont, dass auch der Vorsitz der Kommission in personeller Hinsicht wirtschaftliche, ökologische und soziale Interessen abbilden solle.

Hieran wird deutlich, dass die Erwartungen an die neue Kommission ein weites Themen- und Interessenspektrum umfassen, das sich nach Vorstellung der Umweltverbände auch auf Klimaschutz-Sofortmaßnahmen erstrecken soll. Ob die neue Kommission – schon ihrer Bezeichnung nach – hierfür allerdings der geeignete Ort ist, erscheint sehr fraglich.

Denn auch der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag ist zu entnehmen, dass Maßnahmen zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung nur in der „Kohlekommission“ erarbeitet werden sollen, auf deren Grundlage dann eine rechtliche Umsetzung erfolgt.

Unter verfassungs- und genehmigungsrechtlichen Aspekten erscheint es auch konsequent, Maßnahmen, die sich auf die Kohleverstromung auswirken, komplett innerhalb der „Kohlekommission“ zu konzentrieren. Denn die in den Raum gestellten Sofortprogramme hätten aller Voraussicht nach die sofortige Stilllegung von Kohlekraftwerken zur Folge. Eine Stilllegung von Anlagen setzt jedoch nach geltendem Recht grds. einen Gesetzesverstoß voraus. Solange der Anlagenbetreiber daher die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen einhält, ist sein Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung generell schutzwürdig. Da die Anlagengenehmigung zugleich als Konkretisierung der grundrechtlich geschützten Garantie des Eigentums und seiner Nutzungsmöglichkeit sowie der Berufsfreiheit anzusehen ist, bestehen daher erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit sofortiger Stilllegungen ohne Verstoß gegen das Anlagengenehmigungsrecht. Das staatliche Verlangen, Kohlekraftwerke stillzulegen, griffe tief in die Grundrechte der betroffenen Kraftwerksbetreiber aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsschutz) ein. Grundrechtsdogmatisch liegt der Vergleich mit den Vorgaben des Ausstiegs aus der Atomenergie dabei nicht nah. Denn der Atomausstieg und dessen letztendliche Billigung durch das Bundesverfassungsgericht erfolgte u.a. auch vor dem Hintergrund einer älteren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die die Entscheidung zur zivilen Nutzung der Kernenergie wegen ihres spezifischen Risikopotentials dem Parlament überantwortet hat. Dies wird sich nicht 1:1 auf einen Ausstieg aus der Kohleverstromung übertragen lassen. Hier dürften sich daher auch viel eher komplexe Fragen etwa der Entschädigung der Kraftwerksbetreiber stellen.

Neben dieser rechtlichen Begründung sprechen auch die praktischen Herausforderungen des Strukturwandels, der mit einem Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung verbunden sein wird, für eine koordinierte, perspektivisch angelegte Konzepterarbeitung ausschließlich innerhalb der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Denn ein Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung führt dazu, dass in den Gebieten der Braunkohlereviere mit einem Schlag mehrere Tausend Arbeitsplätze verloren gehen. Auch wenn die damit verbundenen Auswirkungen zwar gesamtstaatlich betrachtet auf einen bestimmten Raum begrenzt sind, wirken sie sich dort mangels ausreichender bestehender Alternativen – gerade im strukturschwächeren Gebiet der Lausitz – sehr intensiv aus. Daher ist die „Kohlekommission“ nicht als Forum anzusehen, welches sich primär mit der Erarbeitung klimaschutzbezogener Maßnahmen befasst. Stattdessen besteht ihr Zweck in der Entwicklung von Konzepten, mit denen die Folgen klimaschutzbezogener Maßnahmen bewältigt werden können.

Die Zuordnung der Kommissions-Geschäftsstelle zum Bundeswirtschaftsministerium, die rechtlich gebotene ablehnende Haltung der Bundesregierung zu einem Moratorium während der Dauer der Kommissionstätigkeit und nicht zuletzt die Kommissionsbezeichnung „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ lassen erkennen, dass die Bundesregierung beim Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung mit der Einrichtung der „Kohlekommission“ genau diese wirtschaftliche und gesellschaftliche Bewältigung der in den letzten Jahren getroffenen verbindlichen Klimaschutzziele anstrebt. Eine andere Frage ist, ob die Festlegung eines Ausstiegs aus der Kohlestromerzeugung auch vor dem Hintergrund der damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen tatsächlich sinnvoll und erstrebenswert ist. Hinzu kommt der Aspekt der Versorgungssicherheit, den das Bundesverfassungsgericht aus dem Menschenwürdegehalt des Grundgesetzes ableitet. Dieser erscheint berührt, wenn Deutschland bewusst auf die Verstromung von Kohle verzichtet und sich damit einstweilen in die Situation einer stärkeren Abhängigkeit von Erdgasimporten insbesondere aus Russland begibt. Es wäre einen eigenen Blogbeitrag wert, den damit deutlich werdenden Mangel an gesamtstrategischem Überblick in Berlin aufzuarbeiten!

 

 

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
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