17.11.2016

Vorsicht: Ein Güteverfahren führt nicht immer zu einer Verjährungshemmung

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17.11.2016

Vorsicht: Ein Güteverfahren führt nicht immer zu einer Verjährungshemmung

Nähert sich das Jahresende, fällt so manchem ein, dass noch dringend etwas getan werden muss, um die drohende Verjährung seiner Ansprüche zu verhindern.

Jedoch ist eine Verjährungshemmung durch Klageerhebung schon aus praktischen Gründen oftmals nicht auf die Schnelle möglich, etwa wenn der dem Anspruch zu Grunde liegende Sachverhalt noch nicht gründlich ermittelt ist. In einer solchen Situation liegt es nahe, die Verjährungshemmung durch andere Rechtsverfolgungsmaßnahmen herbeizuführen. Eine interessante Möglichkeit ist in dieser Hinsicht die Einleitung eines Güteverfahrens. Ein Güteantrag ist regelmäßig schneller verfasst als eine Klage, da er nicht denselben Substantiierungsgrad erreichen muss. Auch sind Güteverfahren recht günstig; oft werden nur niedrige dreistellige Gebühren fällig.

Jedoch führt – entgegen dem scheinbar eindeutigen Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB – nicht jeder Güteantrag tatsächlich zur Hemmung der Verjährung. So entschied der Bundesgerichtshof im Oktober 2015, dass ein allein zur Hemmung der Verjährung eingeleitetes Güteverfahren rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn „schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger [W]eise mitgeteilt hat“ (BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14).

Der entschiedene Fall
Der Entscheidung lag die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Lebensversicherung zu Grunde, die ihre Aufklärungspflichten im Rahmen eines Versicherungsvertrages verletzt haben soll. Um die Verjährung dieser Ansprüche zu hemmen, reichte der Antragsteller 904 Streitbeilegungsanträge im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. a BGB bei der zuständigen Gütestelle ein. Dies tat er, obwohl ihm von der Lebensversicherung schon im Vorfeld ausdrücklich mitgeteilt wurde, dass für sie angesichts der Vielzahl von Verfahren keine gütliche Einigung in Frage kommt. Deshalb lehnte die Anspruchsgegnerin auch eine Teilnahme am Güteverfahren ab. Daraufhin erhob der Antragsteller Klage, welcher die – nunmehr – Beklagte die Einrede der Verjährung entgegenhielt.

Verfahrensgang
Die erste Instanz sah den Anspruch als verjährt an. Jedoch berechnete das Landgericht die Nachhemmungsfrist im Sinne des § 204 Abs. 2 BGB unzutreffend, da es den Begriff der Verfahrensbeendigung im Sinne der Norm fehlerhaft auslegte. Das LG nahm an, dass das Verfahren durch den Zugang des Schreibens der Antragsgegnerin bei der Gütestelle, in welchem sie die Teilnahme am Güteverfahren verweigerte, beendet würde. OLG und BGH stellten hingegen klar, dass es allein auf die Erteilung der Erfolglosigkeitsbescheinigung ankommt.

Der BGH hob das Berufungsurteil des OLG dennoch auf und verwies die Sache zurück, da die Berufungsinstanz den Beklagtenvortrag unbeachtet gelassen hatte, nach dem die Einleitung des Güteverfahrens rechtsmissbräuchlich gewesen sei, da der Kläger gewusst habe, dass sich die Beklagte nicht gütlich einigen wollte. Erweise sich der Beklagtenvortrag nämlich als zutreffend, wäre die Einleitung des Güteverfahrens rechtsmissbräuchlich, die Verjährung somit nicht gehemmt gewesen und der Anspruch danach verjährt.

Die Begründung des BGH
Wenn der Antragsteller in einem Güteverfahren wisse, dass der Antragsgegner nicht zu einer gütlichen Einigung bereit sei, so ist die Anrufung einer Gütestelle zur Verjährungshemmung in den Augen des BGH rechtsmissbräuchlich. Der Kläger verstoße damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dieser sei insbesondere dann verletzt, wenn der Rechtsausübung kein anderes schutzwürdiges Interesse des Ausübenden zu Grunde liege, sodass ihr einzig möglicher Zweck die Benachteiligung des Betroffenen sei. Der BGH stellt darauf ab, dass der Zweck des Güteverfahrens ist, die Justiz zu entlasten und dauerhaften Rechtsfrieden herzustellen. Ist jedoch von vornherein klar, dass es wegen der Weigerung des Gegners nicht zu einer außergerichtlichen Einigung kommen kann, werden diese Ziele nicht erreicht. Der Antragsteller verfolge durch die Beantragung des Güteverfahrens allein die Benachteiligung des Betroffenen, als dass die Verjährung grundlos verzögert würde. In diesen Fällen verdiene der Antragssteller den Schutz der Verjährungshemmung nicht.

Risiken für die Rechtspraxis
Das Urteil des Senats ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist der Vorwurf des Verstoßes gegen das Gebot von Treu und Glauben nachvollziehbar, wenn der Antragsteller bereits sicher weiß, dass sich der Antragsgegner nicht auf eine gütliche Einigung einlassen wird.

Auf der anderen Seite sollte eine gütliche Einigung grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens angestrebt werden. Auch eine das Güteverfahren (zunächst) ausschließende Partei kann bei einem Entgegenkommen der gegnerischen Partei ihre Meinung ändern. Der BGH führt zudem nicht weiter aus, welche Anforderungen er an die Weigerung der gegnerischen Partei hinsichtlich der Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung stellt. So könnte der Anspruchsinhaber durch dieses Urteil insofern in die missliche Situation gebracht werden, als dass er zur Verjährungshemmung Klage erheben muss, wenn der Schuldner die gütliche Einigung (pauschal) verweigert.

Aus anwaltlicher Vorsicht wird man Anspruchsinhabern zur Klage raten müssen, falls die bisherigen Reaktionen des Schuldners als endgültige Einigungsverweigerung gewertet werden können.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
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Simon Heetkamp
Associate
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