04.11.2016

Chinesischer Kuckuck

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4.11.2016

 

Deutsches Urteil, chinesischer Kuckuck? – Vollstreckung deutscher Urteile in China

Aus Geschäftsbeziehungen resultierende Rechtstreitigkeiten sind unerfreulich, aber unvermeidlich. Kommt es zu einem Gerichts- oder Schiedsverfahren, ist es von großer Bedeutung, dass ein ergangenes Urteil bzw. ein Schiedsspruch nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch tatsächlich durchsetzbar ist und dem Gläubiger zu seinem Recht verhilft.

Bei Rechtsstreitigkeiten mit chinesischen Geschäftspartnern stellt sich regelmäßig die Frage der Durchsetzbarkeit deutscher Urteile in der Volksrepublik China. Hinsichtlich der Anerkennung eines deutschen Urteils durch ein chinesisches Gericht und der Erlangung eines darauf beruhenden chinesischen Vollstreckungstitels ist grundsätzlich zwischen Urteilen der staatlichen Gerichte und von Schiedsgerichten zu unterscheiden. Ferner sind die Hindernisse in der Vollstreckungspraxis der chinesischen Gerichte zu berücksichtigen.

Staatliche Gerichte
Eine Vollstreckung von Urteilen staatlicher deutscher Gerichte ist grundsätzlich wenig Erfolg versprechend. China und Deutschland haben bisher kein multi- oder bilaterales Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen geschlossen. Deshalb besteht für chinesische Gerichte weder eine Verpflichtung, in Deutschland ergangene Urteile anzuerkennen, noch solche zu vollstrecken. Ebenso fehlt es an einer sog. „Verbürgung der Gegenseitigkeit“. Beide Rechtsordnungen folgen zwar dem Grundsatz der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Urteile, wenn die Anerkennung eines eigenen Urteils im umgekehrten Fall erfolgen würde. Mit Ausnahme eines (umstrittenen) Urteils des Kammergerichts in Berlin ist es jedoch noch nie zu einer wechselseitigen Anerkennungspraxis gekommen. Ein Vorgehen vor deutschen Gerichten kann daher ins Leere laufen, wenn der chinesische Geschäftspartner keine vollstreckbare Vermögensmasse in Deutschland hat. In einem solchen Fall ist zu erwägen, auf ein Verfahren in Deutschland (bzw. vorab auf eine entsprechende Gerichtsstandsklausel) zu verzichten und stattdessen den gesamten Prozess inklusive einer anschließenden Vollstreckung in China durchzuführen – oder aber bei entsprechender internationaler Zuständigkeit in einem Land, in dem vollstreckbares Vermögen des Schuldners belegen ist. Gegebenenfalls kann begleitend ein Arrestverfahren zur Vermögenssicherung durchgeführt werden.

Schiedsgerichte
Anders sieht es bei der Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen durch chinesische Gerichte aus. China ist dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 beigetreten. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung der chinesischen Gerichte, Entscheidungen von Schiedsgerichten der übrigen Mitgliedsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken.

In der Praxis muss ein entsprechender Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsurteils an das zuständige lokale Gericht mittlerer Instanz gestellt werden, das die Voraussetzungen für eine Anerkennung prüft. Maßgeblich ist hierbei, dass dem deutschen Schiedsspruch eine entsprechende chinesische Übersetzung beigefügt ist. Um eine einheitliche Umsetzung der Verpflichtungen aus dem New Yorker Übereinkommen zu gewährleisten, hat der Oberste Volksgerichtshof der Volksrepublik China (als höchstes Instanzgericht) eine Vorlagepflicht für die zuständigen Gerichte eingeführt, wenn diese die beantragte Vollstreckung ganz oder teilweise ablehnen wollen. Durch diese Vorlagepflicht soll die Rechtssicherheit für den Antragsteller erhöht und die Gefahr des Lokalprotektionismus verringert werden. Allerdings sei auf das Risiko hingewiesen, dass sich ein Anerkennungsverfahren über einen langen Zeitraum – im Einzelfall über Jahre - hinziehen kann.

Mit Blick auf die mangelnde Vollstreckbarkeit staatlicher Urteile empfiehlt es sich, bei Verträgen mit chinesischen Geschäftspartnern eine Schiedsklausel zu vereinbaren. Um die Vollstreckbarkeit nach dem New Yorker Übereinkommen zu gewährleisten (dieses gilt nur für ausländische Schiedssprüche), sollte die Schiedsklausel den Sitz des Schiedsgerichts außerhalb Chinas festlegen. Mit Sitz innerhalb Chinas sind die lizensierten internationalen Schiedsinstitutionen (CIETAC in Peking und SHIAC in Shanghai) zu empfehlen. Ad hoc-Schiedsverfahren sind in China hingegen nicht zulässig. Eine Schiedsklausel, die das Verfahren nicht einer lizensierten Schiedsinstitution zuweist, ist nach chinesischem Recht nichtig.

Hindernisse in der Vollstreckungspraxis
Probleme können sich auch durch die konkrete Vollstreckungspraxis chinesischer Gerichte ergeben. Auch wenn die Erlangung eines entsprechenden Vollstreckungsurteils durch ein chinesisches Gericht aufgrund der möglichen Kontrolle durch den Obersten Volksgerichtshof berechenbaren Maßstäben folgt, obliegt die Durchführung der Vollstreckung selbst den regionalen unteren und mittleren Gerichten.

Wie konkrete Vollstreckungsmaßnahmen gegen den chinesischen Schuldner zur Durchsetzung der Forderungen aus dem Vollstreckungstitel aussehen, variiert von Fall zu Fall, je nach Region, lokaler Vernetzung des Schuldners etc., sodass allgemeine Aussagen nur bedingt möglich sind. Anders als die Pfändung von Bankguthaben erfolgt insbesondere die Vollstreckung in Anlagen oder Güter lokaler Unternehmen nur mit besonderer Zurückhaltung, da keine Arbeitsplätze gefährdet werden sollen. Dem Gläubiger verbleibt damit das Risiko einer erfolglosen Vollstreckung, im Einzelfall sogar obwohl ausreichend Masse vorhanden ist.
 

 

Philipp Baron von Drachenfels
Rechtsanwalt
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ZHANG Zheng / 张诤 LL.M. (Nanjing/Göttingen)
Rechtsanwältin
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