16.01.2020

Keine Haftung des Domainregistrars für Veröffentlichung von rechtswidrigen Inhalten

Hintergrund

Ausgangsfall: Grenzüberschreitender Internetsachverhalt

In einem aktuellen Fall aus unserer Beratung versuchte der Rechteinhaber, ein englischer Fotograf, vertreten durch einen deutschen Rechtsanwalt, ein US-amerikanisches Unternehmen, das als Domainregistrar für die Domain registriert ist, unter der ein südamerikanisches, spanischsprachiges Social Media Netzwerk betrieben wird, für die dortige Urheberrechtsverletzung eines anonymen Users des Netzwerks haftbar zu machen.

Auf der Webseite des Social Media Networks hatte ein Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Foto des Fotografen ohne seine Zustimmung veröffentlicht. Das Social Media Network verfügt zwar über ein Beanstandungsverfahren, jedoch nicht über ein Impressum mit Anschrift der Betreiber. Über einen Whois-Abruf ermittelte der Rechteinhaber die Anschrift des US-amerikanischen Domainregistrars und macht Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend.

Anlässlich dieses Falles gehen wir der Frage nach, ob der Domainregistrar nach deutschem Recht für die von Dritten begangenen Urheberrechtverletzungen auf einer Webseite haftet, die unter einer von ihm registrierten Domain betrieben wird.

 

Haftung von Dritten auf Grundlage der Störerhaftung

Voraussetzung für eine erfolgreiche Inanspruchnahme ist, dass der als Störer auf Unterlassung in Anspruch Genommene in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beigetragen hat. Zur Einschränkung setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich nach allen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Funktion und Aufgabenstellung des als Störer Inanspruchgenommenen sowie die Eigenverantwortlichkeit desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst vorgenommen hat.

 

Keine einheitliche Rechtsprechung zur Haftung von Registraren

Es besteht Uneinigkeit zwischen den Gerichten, ob die Rechtsprechung zur Haftung von Host-Providern (z.B. Betreiber von Bewertungsportalen) auf die (Störer-)Haftung von Domainregistraren im Hinblick auf ihren nur geringen Verursachungsbeitrag (Registrierung der Domain bei der Registry, z.B. der ICANN) und ihre Funktion und Aufgabenstellung übertragen werden kann.

Funktion und Aufgaben eines Domainregistrars

Domainregistrare schließen Registrierungsverträge mit einem Domain-Inhaber oder gestatten den Abschluss solcher Registrierungsverträge über Reseller. Der Registrar trägt dann den Domain-Inhaber bei einer zentralen Registry ein (z.B. DENIC). Dadurch wird sichergestellt, dass Domainnamen unterhalb einer Top-Level-Domain nur einmal vergeben werden können. Der Registrar konnektiert die Domain und trägt sie in den primären Name-Server der Registry für das sog. Domain-Name-System (DNS) ein. Aufgrund dieses Eintrags kann der Internetnutzer Inhalte unter einer Domain abrufen. Das DNS übersetzt Domainnamen in Internetprotokoll-Adressen und ermöglicht so das Abrufen von Inhalten, ohne dass der Nutzer die IP-Adresse des jeweiligen Kommunikationspartners selbst kennen muss.

Das OLG Saarbrücken (Urt. v. 19.12.2019 – 1 U 128/17) hat entschieden, dass den Domainregistrar keine allgemeinen Prüfungs- und Überwachungspflichten hinsichtlich der Webseiten trifft, die unter von ihm registrierten Domains betrieben werde. Der Domainregistrar erfüllt das Bedürfnis des Verkehrs an der Registrierung und Verwaltung von Domainnamen. Es wäre einem Domainregistrar weder möglich noch zumutbar, die Inhalte der unter der von ihm vergebenen Domains betriebenen Internetseiten auf Rechtsverletzung zu überprüfen. Der hiermit verbundene Aufwand würde sein Geschäftsmodell gefährden. Weil für die Inhaber von Webseiten primär deren Betreiber haftbar seien, gäbe es auch keinen Grund für die Haftung des Domainregistrars.

 

Prüfpflichten bei offenkundigen Rechtsverletzungen

Nicht ausgeschlossen soll in Ausnahmefällen eine Prüfpflicht jedoch dann sein, wenn der als Störer in Anspruch Genommene die Rechtsverletzung unschwer erkennen kann oder er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird. Die Rechtsverletzung muss also offenkundig und ohne Weiteren feststellbar sein, sie muss sich geradezu „aufdrängen“. Dies hatten die Gerichte etwa im Falle einer unter einer Domain betriebenen Online-Filesharing-Plattform bejaht.

In diesen Fällen soll der Domainregistrar ähnlich wie ein Host-Provider verpflichtet sein, die Beschwerde an den Webseitenbetreiber, seinen Vertragspartner, mit der Bitte um Stellungnahme weiterzuleiten. Erfolgt keine oder keine ausreichende Stellungnahme so kann der Domainregistrar zur Dekonnektierung der Webseite (Mitteilung an die Registry zur Sperrung der Domain) verpflichtet sein.

Ein sog. „Spill-Over Effekt“ spreche nicht dagegen: Zwar werden durch die Sperrung nicht nur rechtswidrige, sondern auch rechtmäßige Inhalte betroffen. Die Dekonnektierung richte sich aber allein gegen den Webseitenbetreiber, der die rechtswidrigen Inhalte nicht entfernt hat. Durch Löschung der rechtswidrigen Inhalte (z.B. Musikstücke, Fotos) könne er die Sperrung der Domain jederzeit aufheben lassen.

Leitet der Domainregistrar eine solche Beschwerde, aus der sich eine Rechtsverletzung nahezu aufdrängt, an den Webseitenbetreiber weiter und dekonnektiert er im äußersten Fall die Webseite, auf der rechtsverletzende Inhalte veröffentlicht werden, so hat er seine Prüfpflicht erfüllt.

 

Lösung des Ausgangsfalles

Zwar sind deutsche Gerichte nach § 32 ZPO auch dann international zuständig, wenn Urheberrechtverletzungen auf einer Webseite erfolgen, die in Deutschland abrufbar ist.

In unserem Fall beruft sich der Fotograf auf deutsches Urheberrecht, da er Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche unter Berufung auf Normen des deutschen Urheberrechtsgesetzes geltend macht. Nach dem sog. Schutzlandprinzip ist damit deutsches Urheberrecht in Anspruch genommen.

Aufgrund des Territorialitätsprinzips ist der Schutzbereich des inländischen Schutzrechts auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt. Ein Unterlassungsanspruch setzt deshalb eine das deutsche Urheberrecht verletzende Benutzungshandlung voraus.

Um einen Verstoß auch im Inland als gegeben anzusehen, setzt das sachrechtlich anzuwendende Urheberrecht einen besonderenInlandsbezug voraus, um einen Verstoß auch im Inland als gegeben anzusehen.

Anderenfalls droht die Gefahr, dass es zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Schutzrechte und zu einer unangemessenen Beschränkung der wirtschaftlichen Entfaltung ausländischer Unternehmen kommen kann. Danach ist nicht jeder im Ausland hochgeladene und im Inland über das Internet abrufbare Inhalt dem Schutz der nationalen Rechtsordnung unterworfen. Die Rechtsprechung fordert vielmehr, dass das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug (»commercial effect«) aufweist.

Für den Fall bedeutet das, dass die geltend gemachten urheberrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche mangels Verletzungshandlung im Inland nicht bestehen. Da das Foto auf einem südamerikanischen Social Media Network veröffentlicht wurde, das sich nicht an Deutsche richtet, wird das deutsche Publikum nicht angesprochen.

Somit hat der eigentliche Täter (der anonyme Nutzer) keine Verletzung des deutschen Urheberrechts des englischen Fotografen vorgenommen, für das der US-amerikanische Domainregistrar als Störer haften könnte.

Eine Schadensersatzhaftung kommt ohnehin nicht in Betracht, da dies eine täterschaftliche Verletzung des Urheberrechts voraussetzt.

Der Fall zeigt, dass sich bei Internetsachverhalten komplexe Rechtsfragen stellen und keinesfalls vorschnell Unterlassungserklärungen abgegeben oder Schadensersatzzahlungen geleistet werden sollten (was möglicherweise die Hoffnung die Ansprüche geltend gemachten Fotografen gewesen ist). Als Experten beraten wir Sie hierzu gern.


Dr. Christian Rabe
Rechtsanwalt
Senior Associate
Hamburg

Autor/in
Dr. Christian Rabe

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Hamburg
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